Vorfall im Schwimmbad

 

Um mich fit zu halten gehe ich meistens Joggen. Am letzten Donnerstag (05.01.2023) war ich stattdessen im städtischen Schwimmbad und verbrachte eine Stunde damit Bahnen zu schwimmen. Das städtische Schwimmbad ist schon ziemlich alt und runtergekommen; schön ist es nicht, aber es erfüllt seinen Zweck. Und man zahlt nur einen Bruchteil des Preises, den man in einem modernen (privat betriebenen) Freizeitbad zahlt.

 

Wie üblich war das Schwimmerbecken angefüllt mit älteren Damen und Herren, die sich sehr langsam bewegten, sodass ich es nicht leicht hatte einen halbwegs geraden Weg zu finden und mein Tempo beizubehalten.

 

Bald erregte eine Schulklasse meine Aufmerksamkeit. Es handelte sich um ganz kleine Kinder, die gerade erst Schwimmen lernten; vermutlich waren es Zweitklässler. Eine junge Lehrerin stand am Beckenrand und beaufsichtigte die Kinder, während eine etwas ältere Frau, von der ich vermute, dass es keine an der Schule angestellte Lehrerin, sondern eine reine Schwimmlehrerin war, die Kinder instruierte. Genauer gesagt brüllte sie den Kindern Befehle zu, die man in der gesamten Schwimmhalle hören konnte. Wenn ein Kind nicht augenblicklich gehorchte, schrie sie das Kind noch lauter an. Ihr Tonfall erinnerte an den Ausbilder im Film „Full Metal Jacket“. Den meisten Jungen schien die raue Behandlung auf den ersten Blick nichts auszumachen. Sie schienen teilweise sogar Spaß zu haben.

 

Das kleinste Kind aus der Klasse war ein Mädchen, das meiner Schätzung nach nicht älter als 7 Jahre sein konnte. Mit total verängstigtem Gesichtsausdruck stand sie in der hintersten Reihe. Sie machte den Eindruck, als ob sie jederzeit anfangen könnte zu weinen und hielt ihren Oberkörper mit den Armen umklammert, da sie offensichtlich fror. Wie Tiere wurden die Kinder von der Schwimmlehrerin über eine Treppe in den flachen Bereich des Schwimmerbeckens getrieben. Einige Kinder zögerten zunächst, doch angesichts der lauten Befehle, die ihnen von hinten zugerufen wurden und der körperlichen Präsenz der nicht gerade schlanken Schwimmlehrerin, welche den Rückweg aus dem Becken blockierte, gaben sie ihr Zögern schnell auf. Nach und nach begaben sich alle Kinder ins Wasser - mit einer Ausnahme.

 

Als das kleine Mädchen schließlich allein am Beckenrand stand, forderte die Schwimmlehrerin das Mädchen mehrfach energisch auf ins Wasser zu gehen. Aber das Mädchen blieb stehen. Die Schwimmlehrerin packte das Mädchen einfach am Arm und wollte es mit Gewalt ins Wasser zerren. Da ich die Situation schon einige Minuten beobachtet hatte und vorausgesehen hatte, was geschehen würde, griff ich in dem Moment ein. Ich wand mich an beide Lehrerinnen und erklärte ihnen, dass ihr Verhalten inakzeptabel sei. Sie hätten den Willen des Mädchens, das offensichtlich nicht ins Wasser wollte, zu akzeptieren. In vollständiger Verkennung der Tatsachen sagte die junge Lehrerin man habe gar nicht versucht das Mädchen zu zwingen. Ich wies also darauf hin, dass das, was ich beobachtet hatte, mehr als nur ein Fall von Nötigung gewesen sei und wiederholte, dass die beiden Lehrerinnen den Willen des Mädchens akzeptieren sollten. Die Schwimmlehrerin, welche kurz davor gewesen war Gewalt anzuwenden, sagte nichts. Aber die jüngere Lehrerin akzeptierte meine Forderung und meinte, dass das kleine Mädchen sich auf die Bank setzen könnte.

 

Das kleine Mädchen setzte sich allein auf die Bank. Sie schien immer noch ängstlich und es schien ihr immer noch sehr schlecht zu gehen; außerdem konnte man sehen, dass sie nach wie vor fror. Mir fiel nicht besonders viel ein um das Mädchen zu trösten. Ich fragte sie, wo ihr Handtuch sei und holte mit ihr zusammen das Handtuch aus dem Nebenraum. Eigentlich hatte ich das Gefühl das Kind weiter schützen zu müssen. Jedoch weiß ich, auf welche Weise es interpretiert werden kann, wenn ein Mann sich zu intensiv um ein fremdes Kind kümmert. Deswegen begab ich mich wieder ins Wasser und fuhr fort mit dem Schwimmen von Bahnen.

 

Vielen würde der beschriebene Vorfall sicherlich als Kleinigkeit erscheinen. Mir erschien er keineswegs als Kleinigkeit. Für den Rest des Tages war ich noch traurig und aufgewühlt. Verschiedene Dinge gingen mir durch den Kopf. War ich der einzige Erwachsene in der Schwimmhalle gewesen, dem aufgefallen war, dass das Verhalten der Schwimmlehrerin absolut inakzeptabel war? Jedenfalls hatte außer mir niemand eingegriffen. Der Vorfall zeigt die allgemeine Abgestumpftheit. Wir leben in einer Welt, in der der freie Wille nicht akzeptiert wird. Eine Lehrerin, die sensibel genug wäre um zu fühlen, was angerichtet wurde, hätte ihren Beruf schon vorher hunderte Male an den Nagel hängen müssen. Es ist das Wesen der Schulen des alten Systems, dass Kinder dort gezwungen werden Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen. Wer dies nicht wahrnimmt und dem alten System weiter dient, kann weder über Mitgefühl noch über eine innere Ethik verfügen. Die Kinder dieser Generation werden also von Menschen unterrichtet - oder besser gesagt: abgerichtet - die keinen Bezug zur natürlichen Ordnung und somit keinen Bezug zu Gott haben.

 

Nicht nur die Behandlung des Mädchens, das nicht ins Wasser wollte, war schlimm. Im Grunde wurden alle Kinder der Schulklasse misshandelt, was nur auf Grund der Tatsache, dass die anderen Kinder sich nicht widersetzten, nicht allzu deutlich wurde. Die Befehle brüllende Schwimmlehrerin hatte für mich nichts Menschliches mehr. Alles, was ich wahrnehmen konnte, war ein Programm, welches in ihr ablief.

 

Übrigens konnte man nicht nur dem kleinen Mädchen, das nicht ins Wasser wollte, ansehen, dass es fror. Auch die anderen Kinder zitterten und bibberten, während sie sich am Beckenrand aufstellten. Da die Kinder das Schwimmen gerade erst lernten, durften sie nicht unbegleitet im tiefen Bereich des Beckens schwimmen, was zur Folge hatte, dass die Mehrheit der Kinder immer warten musste. Darauf war die Temperatur der Schwimmhalle überhaupt nicht ausgelegt. Die Handtücher der Kinder waren aus für mich unverständlichen Gründen im Nebenraum, sodass die Kinder sich beim Warten nicht einmal abtrocknen konnten. Dass es die beiden Lehrerinnen nicht interessierte, ob die Kinder froren, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Selbst mir war ein bisschen kalt, bevor ich mich durch das Schwimmen der ersten beiden Bahnen aufgewärmt hatte. Warmbadetage mit erhöhter Wassertemperatur, die es vorher gab, sind auf Grund der Energiekrise abgeschafft worden, wie man auf der Internetseite des Schwimmbads nachlesen kann. Man kann sich also vorstellen, wie sich die Kinder fühlten, die nicht nur andauernd zwischen der relativ kühlen Luft der Schwimmhalle und dem relativ kühlen Wasser wechselten, sondern im Gegensatz zu mir auch nicht die Möglichkeit hatten ihren Körper durch ständige Bewegung warm zu halten.

 

Ich erinnere mich, dass ich als Schüler der Speckhorner-Grundschule exakt im selben Schwimmbad, nämlich dem Hallenbad an der Herner Straße, Schwimmunterricht hatte. Zwischen dem, was ich vor knapp 30 Jahren selbst erlebt habe, und dem, was ich am letzten Donnerstag mit ansehen musste, besteht kein Unterschied. Auch ich habe vor knapp 30 Jahren beim Schwimmunterricht gefroren - ein Indiz für den Prozess der Degeneration, in dem wir uns als Menschheit befinden, so lange die Wende auf der materiellen und sichtbaren Ebene noch nicht eingeleitet ist. Die Schäden, die Kinder in den Abrichtungsanstalten des Systems weiterhin erleiden, sind erheblich. Erst nach dem Zusammenbruch des Alten werden liebevolle Menschen, die die Situation verstehen, sich darum kümmern können.