Geistige Wirbelsäulenaufrichtung (1)

 

Erstmals seit vielen Monaten war der ständige Fluss der Inspiration, von dem ich zuvor durchdrungen war, abgerissen. Ich empfand das als eine natürliche Entwicklung, da ich geplant hatte mich anderen Dingen als dem Schreiben zuzuwenden - mich stärker mit Gleichgesinnten zu vernetzen (nicht online, sondern im RL) und konkrete Projekte auf den Weg zu bringen. Wenn meine gesundheitlichen Probleme nach vielen Jahren des Leidens beseitigt wären, könnte ich endlich das tun, wozu ich auf diesen Planeten gekommen war, sagte ich mir. Freilich konnte ich mir nicht sicher sein, dass die geistige Wirbelsäulenaufrichtung, für die ich mich angemeldet hatte, erfolgreich sein würde; ich achtete darauf keine euphorische Erwartung zu hegen, die im Falle eines Misserfolges in Depression übergehen würde. Dennoch plante ich, wie ich meinen Körper, der deutliche Zeichen der langen erzwungenen sportlichen Untätigkeit zeigte, nach erfolgreicher Behandlung wieder in Form bringen würde.

 

Um es vorwegzunehmen - alle Symptome (die ich nicht näher beschrieben will) zeigen sich in ebenso katastrophaler Weise wie vor der Behandlung. Über den Verlauf des Seminars will ich mich gar nicht beschweren. Ich stand am Sonntagmorgen früh auf, fuhr gute drei Stunden mit dem Zug nach Haste - eine kleine ländliche Ortschaft in der Nähe von Hannover, wo ich netterweise vom Bruder der Organisatorin der Veranstaltung abgeholt wurde; er fuhr dann weiter zu einem nahegelegenen Landhaus, in dem das Seminar stattfand. Ich war früher da als nötig. Die Gastgeber begrüßten mich überaus freundlich, boten mir vortrefflich aussehendes und duftendes Essen an und ich setzte mich gemeinsam mit den Gastgebern, die anscheinend die Eltern der jungen Frau waren, die das Seminar im Auftrag des Seminarleiters organisiert hatte, an einen Tisch im Garten, an dem die bereits behandelten Teilnehmer des ersten Seminardurchganges saßen. Das Wetter war fantastisch und die Stimmung war wunderbar. Nach dem Austausch einiger freundlicher Worte und Belanglosigkeiten setzte sich der Seminarleiter zu uns und es ergab sich, dass er uns ein wenig über seinen Lebensweg erzählte, über die Zeichen, die ihn dazu veranlasst hatten den zuvor eingeschlagenen Weg zu verlassen, Bestehendes zu hinterfragen und sich komplett neu zu orientieren. Die anderen Seminarteilnehmer schienen spirituell interessierte Menschen zu sein, die dem System sehr kritisch gegenüberstanden, was natürlich nicht verwunderlich war. Wir unterhielten uns kurz darüber, wie das System versucht uns zu vereinnahmen, wie wir einer Gehirnwäsche unterzogen werden, von vielen Menschen unbemerkt, auch darüber, wie gehirngewaschene Verwandte - insbesondere Eltern - die Fehlprogrammierungen an ihre Kinder weitergeben, ihnen gegenüber eine falsche Erwartungshaltung an den Tag legen und sie häufig dazu bringen Lebenswege einzuschlagen, die mit der individuellen Aufgabe und Veranlagung nicht das Geringste zu tun haben.

 

Dann gingen die Teilnehmer des zweiten Seminardurchganges zusammen mit dem Seminarleiter in ein Arbeitszimmer, wo dieser seinen Vortrag begann. Der Seminarleiter sprach über die geistigen Kräfte, die im System unterdrückt werden, über unsere Fähigkeit zur Selbstheilung, über die heilende Wirkung des Akzeptierens und Annehmens von unangenehmen Situationen und unangenehmen körperlichen Zuständen, über Möglichkeiten alte Programmierungen loszulassen, so eine neue geistige Klarheit zu erlangen; ich glaube er sprach auch darüber, wie der im System fragmentierte Geist sich zur Ganzheitlichkeit entwickeln kann. Die Formulierung „ich glaube“ muss ich wählen, weil meine Aufmerksamkeit während des Vortrages teilweise nachließ. Ich hatte in der vorangegangenen Nacht wenig geschlafen und die Inhalte des Vortrages waren allesamt nicht neu für mich, wobei diese Feststellung nicht als negative Kritik misszuverstehen ist. Nachdem der Seminarleiter seinen Vortrag beendet hatte, durfte jeder von uns Teilnehmern einen Stein aus einem Beutel nehmen. Der Stein sollte uns helfen die Inhalte des Vortrages zu behalten und bestenfalls zu verinnerlichen.

 

Es folgten eine Energieübertragung (bei der ich ehrlich gesagt nichts wahrnehmen konnte), eine Aktivierung der Zirbeldrüse (bei der ich ebenfalls nichts wahrnehmen konnte) und eine geführte Meditation, die durchaus entspannend war - mehr jedoch nicht; der Effekt war der selbe wie der, den ich bei meinen alleinigen Meditationen zu Hause erziele. Außerdem demonstrierte der Seminarleiter, wie zum Gebet gefaltete Hände einem mehr Energie verleihen und widerstandsfähiger gegen körperliche Einwirkungen machen. Ein ähnliches Prinzip kommt bei dem Heberitual zur Anwendung, das Peter Fitzek in [Peter Fitzek - Kapitel 1/3 "Die Macht der Gedanken I" (1:14 Stunde)] demonstriert.

 

Von Beginn an hatte ich dem Seminarleiter gesagt, dass ich auf Grund der Gegebenheiten, die die Zugverbindungen betrafen, etwas früher gehen musste, sodass ich der erste war, bei dem die eigentlich Aufrichtung stattfinden sollte. Ich legte mich auf eine Liege, die in dem Seminarraum stand. Es wurde die Beinlängendifferenz im Sitzen und im Liegen gemessen. Außerdem wurde der Höhenunterschied von rechtem und linken Schulterblatt gemessen sowie der Höhenunterschied von rechter und linker Hüfte. Der Seminarleiter versuchte den Verlauf der Wirbelsäule zu ertasten und zu beschreiben. Ob er dabei richtig lag, weiß ich nicht. Ich legte mich dann erneut auf die Liege, schloss auf Anweisung die Augen und versuchte mich so gut zu entspannen wie es möglich war angesichts der Tatsache, dass die anderen Seminarteilnehmer zuschauten. Der Seminarleiter machte ein Handzeichen, welches wohl ausdrücken sollte, dass mein Körper der göttlichen Ordnung angeglichen sein sollte. Dies konnte ich mit geschlossenen Augen nicht sehen, aber er tat sicherlich das, was ich kurz darauf bei der Behandlung der anderen Seminarteilnehmer beobachten konnte. „Alles in Ordnung?“, fragte mich der Seminarleiter. Seine Stimme klang so, als ob gerade etwas wirklich Großes geschehen sei und ich mich nun völlig anders fühlen müsste. Ich hatte NICHTS gefühlt; ich fühlte mich genau wie vorher.

 

Angeblich sollte die Beinlängendifferenz nun nicht mehr vorhanden sein. Ich war skeptisch. Ohnehin war ich der Meinung, dass die Beinlängendifferenz kein besonders guter Indikator für eine gerade oder eben nicht gerade Wirbelsäule war. Ich machte den Seminarleiter darauf aufmerksam, dass meine chronischen Schmerzen nach wie vor vorhanden waren, was er als Anlass nahm mir zu sagen, dass ich wieder die Augen schließen, mich wieder entspannen und in Gedanken den Affirmationen folgen sollte, die er mir vorsprach. Danach fühlte ich für ein paar Augenblicke in meinen Körper hinein und stellte fest, dass wiederum alles unverändert war. Ich testete meine Beweglichkeit und sie war immer noch stark eingeschränkt, was ich dem Seminarleiter mitteilte. Zuletzt sollte ich die Augen schließen, mir vorstellen ich sei schwerelos, würde schweben und an einem Band nach oben gezogen werden. Das tat ich. Ich wollte den Verlauf des Seminars danach nicht aufhalten und mir war klar, dass der Seminarleiter alles getan hatte, was er tun konnte. Also sagte ich, dass ich in den kommenden Wochen beobachten würde, ob sich noch etwas verbessern würde und setzte mich auf meinen Platz.

 

Fortgefahren wurde mit der Behandlung der anderen Seminarteilnehmer. Kein Seminarteilnehmer schien den gigantischen Energiestoß wahrzunehmen, von dem der Seminarleiter gesagt hatte, dass er ihn bei seiner eigenen Behandlung wahrgenommen hatte und niemand schien die unglaubliche Erleichterung wahrzunehmen, von der der Seminarleiter meinte, dass sie bei seiner eigenen Behandlung ein Ausbrechen in Tränen bewirkt hätte. Kurze Zeit später klingelte es an der Tür und ich wurde von meinem vorbestellten Taxi abgeholt. Daher verabschiedete ich mich vom Seminarleiter und von den anderen Seminarteilnehmern.